Dienstag, 7. Juli 2009

Eine Fahrt ins Blaue!

Die Bundesregierung hat ein neues Projekt ins Leben gerufen. Dieses Modell nennt sich "Lebenslanges Lernen" und unterstützt uns Bürger finanziell, damit wir unsere berufliche Laufbahn durch Weiterbildung in unseren fachlichen Bereichen stärken und festigen können. Da 2030 jeder 4. Bundesbürger über 67 Jahre sein wird, ist es ja nicht schlecht unsere grauen Gehirnzellen ein wenig fit zu halten.

Diese Möglichkeit habe ich allerdings schon vor einigen Jahren für die Vernetzung meiner oftmals difusen Nervenbahnen und -enden in dem verschlungenen Universums meiner Gehirnmasse entdeckt und besuche regelmäßig Kurse und Seminare.
Da ich aber auch noch zusätzlich neun bis zehn Stunden am Tag arbeite, ist so ein Wochenendkurs manchmal doch ziemlich stressig. Oftmals bleibt mir nach dem Kurs nur die Möglichkeiten mit geschlossenen Augen durch die verwüstete Wohnung gleich ins Schlafzimmer zu kriechen. Das "sturmfreie-Bude-Wochenende" meiner Kinder hinterlässt massive Spuren in allen Bereichen!
Es gibt natürlich auch noch andere Möglichkeiten! Ab und an beschränke ich mich auf ein mehr oder weniger fröhliches, "Hallo, ich gehe gleich noch weg" . Dann mache ich mich in Sekundenschnelle frisch, schaue nicht nach links oder rechts und stürme in einem affenzahn wieder aus dem Haus.
"Geschafft!" Bloß weg, bevor ich doch noch die Krise bekomme und mit meinem hochmodernen 2000 Watt Staubsauger, uraltem Wischmopp und der Flasche "Meister Proper" in der Hand verwachse.
An einem besonders sonnigen Tag nach meiner besagten Fortbildung habe ich noch auf der Heimfahrt einen Bekannten angerufen und gefragt: "Hey, gehen wir noch in den Biergarten? Die Kinder waren das ganze Wochenende alleine und ich bin sozusagen auf der Flucht vor dem Chaos! Außerdem brauche ich dringend frische Luft!"
Spontan erklärt er sich sofort bereit, wirft aber noch ein: "Du, der Himmel ist hier aber schon ganz schön schwarz! Ob das noch was wird mit dem Biergarten!"
"Ach du Miesmacher! Klar wird das was!"
Ich werfe einen Blick aus der Windschutzscheibe nach oben!
"Hier ist es total sonnig und es wird schon nicht regnen!" Ich gebe auf der Autobahn Gas und sehe vor mir in meiner Heimatrichtung schon die besagte schwarzes Wolkenfront.
"Scheiße! Ich will heute noch unbedingt raus! Egal!" Manchmal kann ich echt bockig sein.
Kaum zu Hause angekommen, schmeiße ich mich in Freizeitkluft und jage mit einem:" Hallo Kinder, wenn ich zurück bin, habt ihr frei aufgeräumt!" wieder aus dem Haus.
Mal sehen, vielleicht habe ich ja Glück und sie erhören mich?
Andi steigt an der nächsten Straßenecke ins Auto und meint: "Grüß dich...des wird nix....schau mal!" Er deutet vielsagend in den Himmel.
"Ach, wurscht! Wir fahren einfach am See entlang. Dahinten ist es doch hell?"
Ich entdecke ein kleines blaues Loch am Himmel und meine gute Laune steigt sofort wieder an. Im flotten Tempo steuere ich in die Richtung "blauer Himmel" und meckere über die vielen Touristen, die Sonntags im Schneckentempo am liebsten ihr Auto die Seestrasse langschieben würden. Der hoffnungsvolle "blaue Fleck" scheint allerdings partout nicht näher zu kommen. In der nächsten Ortschaft fängt es schlagartig an zu gießen!
"Siehste" meint Andi mit einem leichten" ich hab recht gehabt" Ton!

Aber ich bin ein unverwechselbarer Optimist. "Schau mal, wenn wir rechts abbiegen und noch ein paar Kilometer fahren, dann sind wir direkt unter dem blauen Loch im Himmel!"
Er seufzt, verdreht die Augen nach oben und lehnt sich im Auto zurück. Er weiß genau, dass ist einer der Momente, in denen es völlig aussichtslos ist, mich mit irgendwelchen vernünftigen Argumente von irgendeiner Schandtat abzuhalten. Er lehnt sich ergeben zurück und schweigt. Dabei hält er sich krampfhaft an der Lehne der Beifahrertür fest, denn ich überhole auf der schmalen Landstrasse ein paarmal rasant. Schließlich bleibt so ein Stückchen "sonniger Himmel" nicht ewig zwischen den Gewitterwolken stehen.
Und siehe da! Nach 20 km ist es dann so weit und ein Sonnenstrahl fällt ins Auto.
Triumphierend grinse ich Andi an.
"Na, was sagste jetzt!" Er seufzt wieder und meint: "Ok, lass uns in den Biergarten oben am Berg gehen!"

Herrlich diese Aussicht. Man kann das ganze Tal sehen und die Luft ist klar und frisch! Die Sonne scheint durch die alten Kastanienbäume und ich schließe selbstzufrieden die Augen. So habe ich mir den Abend vorgestellt, genau so!
Wir bestellen ein Bier und was zu essen und ratschen ein wenig über meine Fortbildung und das Wochenende. Mein Blick geht in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Dort kann man den massiven schwarzen Wolkenstreifen erkennen, der zentimeterweise am Himmel näher rückt.
"Du, ich glaube, der Wind bläst in unsere Richtung, " werfe ich in die doppelt und dreifach wiederholten Erzählungen von meinem Bekannten ein. Der Kerl kann sich nie merken, was er mir schon erzählt hat und was nicht. Ich habe es inzwischen aufgegeben, ihm ständig zu sagen: "Du Andi, das hast du mir doch erst letztes Mal erzählt!"
Er ist jedesmal so frustriert und schaut mich dann an wie "Dackel Waldi". Wenn ich ihn dagegen erzählen lasse, ist er immer ganz stolz, so viel Neuigkeiten für mich zu haben. Also warum soll ich ihm diese Illusionen nehmen.
Der Kellner bringt unser Essen und mit einem Auge hänge ich immer noch an der rasend schnell heranziehenden Unwetterfront.
"Viellelicht schaffen wir es noch", denke ich und esse genüßlich.
Zwei Minuten später fällt mir der erste Tropfen auf den Teller, dann auf die Hand und bevor ich noch etwas sagen kann, rauschen dicke, fette Wassertropfen auf uns nieder. Die Menschen im Biergarten packen alle ihre Teller und Habseligkeiten und retten sich ins Lokal. Ganz kurz gibt es noch ein heftiges Geknubbel im Türbereich und der Letzte hat das Pech nicht nur eine verwässerte Soße zu haben, sondern auch noch klitschnass nachzurücken.
Draußen tost der Wind und das Unwetter hat alles im Griff. Äste brechen und schlagen auf den Boden, Stühle fallen um und Schirme kippen auf den Kies. Es donnert laut auf das Dach und alle essen leise die Reste ihrer Mahlzeiten mit verängstigten Blicken aus den Fenstern. Ehrfürchtiges Gemurmel ist aus verschiedenen Tischbereichen zu hören.
Nach einer halben Stunde hat es sich dann wieder etwas beruhigt und es regnet nur noch mäßig stark.
Das sehen wir sogleich als Chance, dem unfreiwilligen Ausflug in das spießige Innenleben des Ausflugslokals ein Ende zu breiten. Wir zahlen und flüchten schon zum zweiten Mal an diesem Tag. Diesesmal allerdings freiwillig in Richtung schwarzer Wolkenfront - Richtung Heimat!
Trotzdem schön, an diesem Tag ein Stückchen blauen Himmel gefunden zu haben!

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