Dienstag, 29. September 2009

Äthiopische Kaffeezeremonie

Jetzt lebe ich schon seit 7 Jahren in unserer beschaulichen Kleinstadt, aber ich stelle immer wieder fest, dass es hier interessante Lokalitäten und Dienstleister gibt, die ich noch nie beachtet habe.
Gestern ist über eine Community bei mir eine Einladung zu einer äthiopischen Kaffeezeremonie hereingeflattert. Neugierig klicke ich auf den link der Einladung und siehe da – vor meiner Nase gibt es eine eigene, kleine Kaffeerösterei und ich habe es nie bemerkt.

Von außen sieht das Ganze recht unscheinbar aus. Ein großes Fabriktor und daneben eine Tür mit einem Schild. Die Öffnungszeiten sind unspektakulär und nichts für Nachtschwärmer. Kaum trete ich ein, schon überkommen mich Gefühle wie in Omas Wohnzimmer. Alte Möbel und Sofas aus Plüsch mit netten Dekos laden hier in der großen Halle zum Kaffee trinken ein. An der Theke werde ich nett begrüßt und es duftet nach frisch gebrühtem „Braunen“! Hinten türmen sich die Kaffeesäcke und noch weiter hinten kann ich undefinierbare große Maschinen erkennen.
Ich schlängele mich durch die Besucher und finde vor den Aufbauten der „Zeremoniestätte“ einen Platz. Ein Bekannter folgt mir und wir bestellen uns natürlich erst einmal einen Cappuccino! Klar doch. Dann inspizieren wir die vielen Töpfchen, Brenner, Schüsselchen und Kolben mit afrikanischem Muster. Dahinter sitzt eine junge dunkelhäutige Frau, die schüchtern in die Menge lächelt.
Endlich kommt der Röstereibetreiber und beantwortet die Fragen der Zuschauer. Die junge Frau macht sich an die Arbeit und schmeißt ein paar grüne Kaffeebohnen in eine Art Pfanne. Auf offener Flamme werden die linsenartig aussehenden Samen geröstet und es riecht nach Spiritus vom Brenner und ganz schwach – nach Kaffee. Plötzlich zischt es und sprüht Funken! Die Schale löst sich und die Bohnen nehmen die mir bekannte Form an.
Nach einer gewissen Abkühlzeit beginnt die Frau die Bohnen in einer Schüssel mit einem Mörser zu zerkleinern. Der Besitzer erklärt, dass hierzu im Ursprungsland meist alte Autokleinteile zum pulverisieren verwendet werden. Lecker! Das Aroma ist das Motoröl?
Nach einer halben Stunde Plackerei ist der Kaffee soweit aufgussfähig und das Gesicht der Frau leicht gerötet und angespannt. Trotzdem lächelt sie ab und an sanft in die Runde.
Das Pulver wird in einen Kolben geschüttet und mit Wasser aufgegossen, der schräg auf die Flamme des Brenners gesetzt wird.
Benni, mein Bekannter schaut auf die Uhr.
„Meinst, wir kriegen heut noch was?“
ich nicke zuversichtlich und meine aufmunternd: „Klar, die Arme ist doch erst seit einer Stunde am Kaffee machen. Geb´ ihr noch ein bisserl Zeit! Ohne Maschine geht´s halt langsamer!“ Ich grinse.
Der Besitzer erklärt gerade die Vorgänge im Hintergrund und ich schnappe noch auf. „Der Kaffee muss nun dreimal im Kolben aufgebrüht werden!“

Puh, bis die armen Äthiopier frühmorgens ihren Kaffee kriegen, sind die doch glatt wieder alle eingeschlafen. Kein Wunder, dass dieses Land wirtschaftlich nicht weiter kommt!

Nachdem auch ich so langsam müde werde, hält mir die junge Frau mit einem strahlenden Lächeln ihrer weißen Zähne eine Tasse unter die Nase. Huch....schon fertig?

Der Besitzer betont dabei:“ Und diese Zeremonie machen die Äthiopier dreimal am Tag!“
Sapralott! Die armen Frauen. Dreimal am Tag 1 ½ Stunden Kaffee kochen!
Vielleicht sollte man bei uns die Kaffeemaschinen abschaffen und im Büro den Beruf des Kaffeezubereiters anbieten. Damit hätten wir wieder viele Teilzeitler untergebracht.
Ich nippe am Kaffee und alle schauen mich erwartungsvoll an. Hmmmm....schmeckt intensiv und staubig, aber nicht schlecht.
Vielleicht sollte man einen Kaffeezeremonieautomaten erfinden!
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