Montag, 15. Juni 2009

Hauptsache praktisch!

Party! Die Kleinstadt steht Kopf! In jeder Kneipe spielt eine Band, trällert eine Chansonette, swingt eine Olditruppe oder tanzt eine eingeschworene Tsatsikigemeinde Sirtaki im Knoblauchdunst. Eine Bekannte und ich walzen durch die fröhlich angeschwipste Menschenmenge, natürlich wie immer in die entgegengesetzte Richtung der Menschenmasse. In einem Innenhof entdecken wir in einer Ecke ein freies 60 cm auf 60 cm freies Plätzchen. Mit Charme und Körpereinsatz schlagen wir uns zu der überfüllten Bar durch.
Sofort wird ein Glas Prosecco geordert und glücklich über unseren Aussichtspunkt beobachten wir Männlein und Weiblein, sowie Pärchen, die sich irgendwo vor der feiersüchtigen Menschenwelle in Rettung bringen wollen.
Voll auf zufrieden beschließen wir, unsere sichere Ecke an der Bar mit allen Mitteln zu verteidigen und auch nicht so schnell aufzugeben.
Gerade haben wir uns mit dem zweiten Glas Prosecco in der einen Hand und einem eisernen Griff am Thekentresen mit der anderen Hand entschlossen verhakt, als ein Bekannter von mir aus einem Knäuel von Menschen direkt vor unserer Nase geradezu "ausgespukt" wird.
Er sieht mich und unsere "verkehrsberuhigte Zone" und quetscht sich zu uns durch!
"Hey, grüß dich! Was hast du denn hier für eine feines Plätzchen!"
Er macht sich mit Hilfe seiner Ellebogen in unserer Ecke breit.
Da wir uns schon länger nicht mehr gesehen hatten, tauschen wir erstmal den üblichen smalltalk zwischen uns aus. Was macht du, wie geht es dir, usw.
Da Männer genauso neugierig sind wie wir Frauen, kommt schon bald die für ihn entscheidende Frage:
"Was macht die Liebe? Hast du wieder einen neuen Freund?"
Ich schüttele den Kopf und versuche die Menge sowie die Musik zu übertönen.
"Nööö, du weißt doch genau, dass ich diese oberflächlichen Kurzzeit-Austauschbekannschaften nicht mag!"
Er grinst blöde vor sich hin:" Ich weiß schon. Prinzessin sucht immer noch nach der großen Liebe....na viel Spaß!"
Ich zucke mit den Achseln," na und? Und wie schaut es bei dir aus?"
Genau auf dieses Stichwort hat er anscheinend nur gewartet!
Stolz und hastig verkündet er: " Du, ich bin jetzt mit einer alten Bekannten zusammen! Wir kennen uns ja eigentlich schon ewig. Ich kenne Sie...sie kennt mich! Und als ich mal auf dem Sportplatz war, ist mir eingefallen, dass sie ja gleich neben an wohnt. Ich habe einfach mal bei ihr geklingelt und...." er blickt etwas verlegen auf den Boden, " dann habe ich bei ihr geduscht. Es hat sich eben so ergeben!"
Er zuckt mit den Achseln und blickt mir mit seinem Foxterrierblick tief in die Augen!
"Weißt du, es ist einfach so praktisch! Ihre Wohnung liegt gleich neben dem Sportplatz und ist auch verkehrstechnisch super angebunden. U-Bahn, Autobahnauffahrt direkt daneben.....und dann noch in der Großstadt. Also ich kann jetzt mal übernachten und muss nicht immer auf Alkohol verzichten, wenn ich mal in der Stadt Party mache.
Beifallheischend schaut er mich an.
Mir allerdings ist bei der Anzahl der vielen superpraktischen Kriterien irgendwie die Spuke weggeblieben und mein Mund klappt langsam nach unten....wie betäubt!
Entsetzt rufe ich:" Ja und die Liebe? Das können doch nicht im Ernst deine Auswahlkriterien sein!"
Er ist sichtlich irritiert. Spontan kreist sein Blick hilfesuchend in die Menge.
"Och, nett ist sie natürlich auch! Das passt schon...." Dabei winkt er schnell einer Gruppe von Mädels und drückt mir einen Abschiedskuss auf die Backe.
"Du, tschau, ich muss weiter! Mach dir noch ´nen schönen Abend!"
Ich glaube, mein Mund hat ein vorübergehendes Schließmuskelproblem! Ich drehe mich zu meiner Bekannten und die steht ebenfalls völlig aus der Bahn geworfen mit einer leicht geöffnetem Kauklappe da.
" Weißt du was...ich weiß jetzt, warum ich keinen Mann kennenlerne!"
"Warum?" fragt sie mich immer noch schockiert.

"Na überleg mal....
Ich wohne gleich bei der Grundschule und dem Friedhof. Man muss von meiner Wohnung aus eine halbe Stunde zum Bahnhof laufen. Außerdem ist auch noch ein Kindergarten in der Nähe! Das kann nichts werden!"

Total frustriert bestellen wir uns noch ein Glas Prosecco und wägen schweigend unsere Möglichkeiten ab, jemals einen netten Mann kennenzulernen.

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