Dienstag, 20. Oktober 2009

"Glatze" als Schaffner!

Endlich mal einen Nachmittag frei. Gutgelaunt fahre ich in die Großstadt und freue mich auf einen kleinen, entspannten Einkaufsbummel. Die Geschäfte sind nicht mehr voll und die Menschen lange nicht so agressiv wie am Wochenende. Da inzwischen draußen merklich die Temperatur gesunken ist und ich schon dauernd Glühwein und Lebkuchen im Kopf habe, probiere ich hauptsächtlich dicke Wollpullover und Schals.

Als ich an einem Stand mit flauschigen Fellhandschuhen vorbeikomme, fällt mir siedend heiß ein, dass ich unbedingt auf die Uhr schauen muss, denn Bob wartet um 18 Uhr am Brunnen auf mich.

Fünf vor sechs! "Uih...ist die Zeit vergangen!" Ich lasse die Fellpfoten für Menschenhände fallen und sause los.

Mit fliegenden Haaren und Einkaufstüten komme ich gerade noch rechtzeitig zu meiner Verabredung.

Bob grinst und meint völlig gelassen: "Du schon?...ich dachte, du kommst mindestens eine halbe Stunde zu spät! Ich habe für uns beide einen Platz beim besten Inder der Stadt reserviert! Ist das ok?"

Vergnügt hake ich mich bei ihm unter und meine: "Ich bin doch immer pünktlich...das weißt du doch...und indische Küche ist klasse!" Schwein gehabt, dass ich noch rechtzeitig auf die Uhr geschaut habe, dachte ich mir insgeheim!

Wir verschwinden in der Menschenmenge Richtung U-Bahn und springen in den nächsten Wagen, der gerade mit einem kalten Luftzug in den Tunnel fährt. Ganz am Ende finden wir einen bequemen Platz und ich mache es mir mit meinen 100 Taschen gemütlich!

Mir gegenüber sitzt ein Mann mit einem karierten Cap. Er war vielleicht 25-30 Jahre alt, die langen Haare sind als Zopf zusammengebunden und er trägt einen Vollbart. Damit machte er eindeutig einen alternativ, grünen Eindruck! Er starrt sinnierend vor hin!

Bob und ich erzählen uns Alltagsgeschichten und lästern immer wieder kichernd über so manche Gestalten, die in der U-Bahn aus und einsteigen. Mit dem Rücken zu mir steht ein rieseiger Schrank von einem Kerl mit schwarzer Lederjacke, Stiernacken, fast Glatze und einer großen Tasche. Mit seiner schwarzen Hose und seinen ebenso schwarzen derben Schnürstiefeln erinnert er mich sehr an einen Rechtsradikalen. Zwei dicke silberne Kreolen zieren seine überdimensionalen Ohrläppchen! Ein kofferartiger Umhängebeutel macht ihn noch breiter!

Als er sich plötzlich umdreht, wird mir irgendwie komisch und meine Härchen im Nacken stellen sich auf.
.
"Gut das Bob dabei ist!" denke ich mir ängstlich und suche mit ihm den Blickkontakt! Er versucht es locker zu übergehen, denn in diesem Moment kommt dieser Riese von einem Kerl auf uns zu.

"Die Fahrausweise bitte!"

Meine Augen weiten sich und ich suche mein Beleg! Hat denn die MVV keine Kleiderordnung? Oder sollen die schwarzen Sheriffs aussehen, als würde gleich ein Naziaufmarsch stattfinden?
Ich versuche freundlich zu lächeln und halte ihm meine abgestempelte Karte hin.
Er nickt mir und Bob zu, ohne die Miene zu verziehen und wendet sich an den jungen Alternativen. Der hält seine Karte immer ein kleines Stück außer Reichweite und als der Kontrolleur sich die Karte greifen will, zieht er sie schnell weg!
"Nicht anfassen!" ruft er dabei. Der "Glatzenmann" versucht erneut die Karte zu greifen. Seine Hand schnellt vor und er funkelt den Bartträger an.
"Hey, geb her!"
"Nicht anfassen!" Der Alternative wird jetzt schon fast hysterisch!
Die Luft ist zum knistern geladen! Ich drücke mich ängstlich Bob.
"Geb jetzt endlich her...das ist Eigentum der MVV, duuuuuu.....!"
Mein Kopf verschwindet merklich ein paar Zentimeter zwischen den Schultern!

"Nein...isses nicht! Die Fahrkarte gehört mir! Ich habe sie käuflich erworben!"

Hmmm, da hat er ja eigentlich recht. Fast lag mir gerade ein blöder Kommentar auf der Zunge, aber das Testosteron des Schwarzgekleideten und die Hysterie des Langzopfes lassen mich vernünftigerweise die Klappe halten.

Die Glatze blitzt den Langhaarigen an. Wenn seine Augen Laserwaffen wären, der Bubi mit dem Bart wäre geschmolzen...weg...in Rauch aufgegangen.

Er schaut nochmal genauer auf die Karte und brummt vor sich hin wie ein Raubtier. Dann tritt er einen Schritt zurück und lächelt mich mit einem siegessicheren Blick an, der wohl heißen soll: " Was für ein Arsch, wenn ich wollte, würde ich den mit dem Daumen zerquetschen!

Ich schaue verlegen weg. In meinen Augenwinkeln sehe ich, wie der Junge zitternd seine Karte in der Jackentasche verschwinden lässt.

Irgendwie ist mir bei der Begebenheit nicht wohl gewesen. Nicht nur, dass ich die Auswahl der Kontrolleure in Frage stelle. Auch diese Furcht, die dieser Mann bewusst verbreitet hat, gefällt mir gar nicht.

Ich bin froh, dass es in meiner Kleinstadt keine U-Bahnen gibt!

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